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Pastorale Konsequenzen

Was ist konkret zu tun?

Auszug aus einer Hausarbeit von Sven Schätzl.

 

Grundsätze der Engagementförderung (PDF)

Bewertung der 11 Grundsätze der Engagementförderung in der Erzdiözese Freiburg (siehe PDF oben) und Konsequenzen für die Pastoral

Wie im vorherigen Abschnitt dargelegt, ist vieles von dem, was in der aktuellen Situation der Gesellschaft im Jahr 2023 im Hinblick auf das kirchliche Ehrenamt notwendig erscheint, theologisch bereits in den über fünfzig Jahre alten Konzilsdokumenten grundgelegt. Vor diesem Hintergrund werden im folgenden Kapitel die 11 Grundsätze der Engagementförderung bewertet und Konsequenzen für die Pastoral vorgeschlagen.

Warum Engagement in der Kirche und nicht in einem säkularen Verein?

Die Kirche steht im Wettbewerb um Ehrenamtliche mit vielen anderen Vereinen und Angeboten. Die eingangs erwähnten üblichen Vorteile kann jeder andere Verein auch bieten. Zudem haben diese anderen Organisationen in der Regel einen viel besseren Ruf. Hier hat die Missbrauchskrise immensen Schaden angerichtet. Ehrenamtliche berichten, dass selbst Teilnehmer von niederschwelligen Gebetswanderungen in der Natur wegbleiben, weil sie aufgrund der Missbrauchsfälle mit dieser Kirche nichts mehr zu tun haben wollen (eine Aussage aus dem Pastoralkurs 2023 in Maria Lindenberg). Eine Mitarbeit in dieser Organisation erscheint dann fast undenkbar. Auch wenn der erste Grundsatz „Vielfalt wollen“ grundsätzlich zu Recht dazu einlädt, viele Motive für kirchliches Engagement zuzulassen, so scheint es doch geboten, sich auf den kirchlichen „Markenkern“ zu besinnen, nämlich unseren christlichen Glauben. Wo dieser vertieft und intensiv gelebt wird, finden sich meistens auch Ehrenamtliche, die bereit sind, sich auf das Abenteuer einer lebendigen Glaubensgemeinschaft einzulassen und aus Überzeugung mitzuarbeiten. Entsprechend erscheint es sinnvoll, Angebote zur Vertiefung des Glaubens (z. B. Glaubenskurse) flächendeckend umzusetzen. Wenn dadurch jeder Getaufte und Gefirmte seine Würde (neu) entdecken (vgl. 3.1 und 3.2) und sich vom Feuer des Heiligen Geistes (neu) anzünden lassen würde (vgl. 3.5), wäre eine Grundvoraussetzung für zukünftiges Engagement in der Kirche überhaupt erst geschaffen.

Den Menschen im Sozialraum zuhören

Auch wenn z. B. in der Pfarrei Neu des Autors (Hegau-Ost) nur noch 3,2 bis 4,5%[1] der Katholiken regelmäßig den Sonntagsgottesdienst besuchen und inzwischen ca. 50%[2] der Bevölkerung in Deutschland keiner christlichen Kirche mehr angehören, so belegen Untersuchungen[3], dass die Sehnsucht nach gelebter Spiritualität im Alltag ungebrochen ist. Wie kann diese große Zahl neu, oder wieder, mit dem Reichtum des christlichen Glaubens in Berührung gebracht werden? Denn auch die nicht praktizierenden Katholiken können oft nicht mehr über die üblichen Wege (z. B. Gottesdienste, Pfarrbriefe, Pfarreiwebseiten etc.) erreicht werden. Deshalb ist die Umsetzung des Grundsatzes 4 „Vom Sozialraum her denken“ unbedingt erforderlich. Es müssen innovative Wege gefunden werden, wie Kirche zu einer „hörenden Kirche“ werden kann, die die in 3.6 angesprochenen „Zeichen der Zeit“ wahrnehmen kann. Dies erfordert für jeden Sozialraum eine andere Herangehensweise. Zu den klassischen Wegen gehören diejenigen, die auf dem Austausch über das Evangelium in kleinen Gruppen beruhen. In Frankreich gibt es dazu langjährige Erfahrungen[4]. Auch von den Philippinen kommen gute Impulse[5]. Eine deutlich niederschwelligere Form als die üblichen Bibelkreise bieten auch offene Begegnungsabende z. B. auf der Basis einer Folge der Bibelserie „The Chosen“[6]. In manchen Gemeinden gibt es weitere, innovative Ansätze, wie z. B. „BLESS“[7], „Offene Kirche – offenes Ohr“[8], einen Pastoralbus[9], den „Straßenkreuzer St. Ursula“[10] in Oberursel, die „AndersOrte“[11], die „DialogBox“[12] und andere. Das Konzept von „segen.jetzt“[13] könnte interaktiv so weiterentwickelt werden, dass man ein Anliegen abschickt und ein persönliches Segensvideo zurückerhält. Auch die „FreshX“[14], die auch in der Erzdiözese Freiburg bereits wahrgenommen werden[15], bieten Anregungen. In der Diözese Rottenburg-Stuttgart wird das Konzept der „Orte des Zuhörens“ bereits in einer Konkretisierung als niederschwelliges Angebot der Caritas für Menschen in Not und Bedrängnis umgesetzt[16]. Dies kann jedoch nur einen Teilaspekt des „Zuhörens“ abdecken. Eine Hilfe kann diesbezüglich auch das Dokument „Not und Ressourcen wahrnehmen[17] bieten, indem fünf Methoden genannt werden, die hilfreich sein können, um den Bedarf des Sozialraumes besser zu ermitteln. Um alle zu erreichen, ist an dieser Stelle viel mehr Kreativität gefragt.

Neue Wege der Kommunikation

Der Grundsatz 11 „Kommunikation pflegen“ vertieft eine ähnliche Problematik. Die im Grundsatz genannten „vielfältigen Kommunikationsformate“ müssen noch entwickelt werden. Neue Wege sind gefragt. Ein spannendes Experiment mit dem Ziel mit neuen Bevölkerungsschichten zu kommunizieren, war die Begleitung eines Priesters durch eine Journalistin: „Valerie und der Priester“[18]. Menschen konnten dadurch einen Einblick in den Alltag eines Priesters erhalten, der ihnen sonst nicht möglich gewesen wäre. Die Folgeprojekte in der Gefängnisseelsorge[19] und im Priesterseminar[20] haben dasselbe Ziel verfolgt. Man könnte dieses Konzept auch umsetzen, um Einblick in die Tätigkeitsfelder von Ehrenamtlichen zu gewähren.

Im Bereich der digitalen Kommunikation wurden bereits neue Wege beschritten. Die zurückliegende Corona-Zeit hat in der katholischen Kirche zu einer Vielfalt an digitalen Angeboten und Formaten, um mit Menschen in Kontakt zu kommen, geführt. Einige Livestreams von Gottesdiensten sind so gut angekommen, dass sie weitergeführt werden. Erste digitale Ehrenamtsbörsen[21] sind entstanden. Gerade im Bereich der digitalen Netzwerke gibt es aber noch viel ungenutztes Potential. Austauschforen und andere soziale Medien, in Deutschland von der Kirche als datenschutzfreundliche Alternative zu Facebook, Instagram, WhatsApp etc. betrieben, hätten, gerade für die weiter unten noch erwähnte kategoriale Vernetzung in den größeren Räumen der „Pfarrei Neu“, Potential. Erste Ansätze dazu gibt es in der Weltkirche[22].

Wie bereits erwähnt, bedarf es möglichst vielfältiger Anlaufstellen, in denen zunächst zugehört wird und bei Bedarf eine Vermittlung in weiterführende Angebote erfolgen kann. Dies kann im Einzelfall auch ein niederschwelliger präkatechumenaler Glaubenskurs wie der Alphakurs[23] sein. Wichtig ist aber, dass es im Prinzip des „belonging before believing“[24] erfolgt, d.h. eine absichtslose Beziehungspflege über längere Zeiträume hinweg. Denn die Menschen wollen heute dazugehören, bevor sie bereit sind, sich zu engagieren[25]. Dieses Zugehörigkeitsgefühl ist aber oft nicht mehr deckungsgleich mit dem Wohnort. Es brauche, so Dere, neue Netzwerke, in denen es neue Knotenpunkte geben müsse, die nicht identisch sein müssten mit den alten Gemeinden, die in der neuen Pfarrei zusammengeschlossen sind[26]. Eine überregionale Umsetzung bietet hier z. B. die Netzgemeinde „Da-Zwischen“[27]. Solche Knotenpunkte können z. B. kategoriale Angebote für bestimmte Zielgruppen sein – wie z. B. ein regelmäßiger Jugendgottesdienst auf der Ebene der gesamten Pfarrei Neu. Es können aber auch zeitlich begrenzte Projekte sein.

Ein eher strukturell organisierter Ansatz ist die Durchführung von Interviews im Sozialraum. Dieses Konzept stammt von den Philippinen[28] und wurde auch in Deutschland bereits erfolgreich durchgeführt[29]. Es stellt einen hohen Aufwand[30] dar, ist aber gleichzeitig eine gute Form der Beteiligung (vgl. 4.6).

Alle diese Angebote können in der erforderlichen Häufigkeit und Flächenabdeckung nicht allein von Hauptamtlichen geleistet werden. Sie bieten Ehrenamtlichen eine gute Gelegenheit, „Salz der Erde“ (vgl. 3.9) zu sein und aktiv an der Sendung der Kirche mitzuwirken (vgl. 3.4).

Ehrenamtskoordination

In vielen Dekanaten konnte im Rahmen eines Modellprojektes, dessen Finanzierung inzwischen dauerhaft gesichert ist, die Stelle einer Ehrenamtskoordinatorin bzw. eines Ehrenamtskoordinators eingerichtet werden[31]. Eine solche Stelle fördert konsequent die Umsetzung der 11 Grundsätze zur Engagementförderung vor Ort. Insbesondere der Grundsätze 7 bis 11. Diese Person steht dementsprechend auch als verlässlicher Ansprechpartner bzw. Ansprechpartnerin vor Ort zur Verfügung (vgl. Grundsatz 8). Die Rolle dieses Amtes besteht zunächst darin, das vorhandene ehrenamtliche Engagement wahrzunehmen, anschließend zu fördern und zu unterstützen. Ebenso kann diese Stelle darauf hinwirken, dass in allen Gremien und Gruppierungen einer Pfarrei die Würde des gemeinsamen Priestertums vertieft wird. Impulse dazu bietet die Schrift „Aus der Taufe leben“[32] der Diözese Wien. Ein Alternative zu diesem Amt stellen die „Servicestellen Engagement“[33] der Diözese Köln[34] dar.

Eine weitere gute Möglichkeit der Förderung von Ehrenamtlichen, initiiert durch die Ehrenamtskoordinatorin bzw. den Ehrenamtskoordinator sind Begegnungs- oder Dankeschön-Veranstaltungen für Ehrenamtliche, z. B. ein Hüttenwochenende für Engagierte in der Jugendarbeit[35]. Ein anderes Beispiel ist auch das Projekt „Du bist wichtig!“[36] aus dem Dekanat Konstanz. Das Projekt „ehrensache – Du bist ein Teil!“[37], ist ebenfalls ein Beispiel dafür, wie das Engagement von Ehrenamtlichen sichtbar gemacht und dadurch weitere gewonnen werden können. Dazu werden einzelne Ehrenamtliche mit Bild und Text ansprechend vorgestellt. Dies geschieht in den Schaukästen der Gemeinden, auf Plakaten in den Kirchen und auf einem eigenen Instagram-Kanal[38]. Auf Instagram zusätzlich auch in Form von kurzen Frage-Antwort-Videos und individuellen Vorstellungsvideos.

Primat der Charismen-Orientierung

Grundsatz 7 „Menschen sehen“ spricht von einer „guten Balance von Aufgaben- und Charismen-Orientierung“. Man kann sich aber fragen, ob dies nicht zu kurz greift. Denn die Menschen sind heute tendenziell nicht mehr bereit, Aufgaben zu übernehmen, die ihnen nicht liegen (vgl. 2.2.). Die Diözesanen Leitlinien unterstreichen, dass dies auch für Hauptamtliche gilt[39]. Ein Beispiel: Einige Pastoral- und Gemeindereferentinnen und -referenten leiden unter der Verpflichtung, Religionsunterricht erteilen zu müssen[40].

Ein Pastoralraum kann nur dann seine geistgewirkte Dynamik entfalten, wenn sich alle Getauften und Gefirmten mit ihren Gaben einbringen (vgl. 3.5). Erfahrungsgemäß kommen dabei auch überraschende Ideen aus dem Volk Gottes. Diese müssen entsprechend gefördert werden, wie es in Grundsatz 2 „Experimente wagen“ nachdrücklich betont wird. Im Reich Gottes gibt es auch kein Scheitern, weil alles in Gottes Hand liegt. Auf die größten Widerstände stößt man, wenn es darum geht, auf das, was schon immer so war, zu verzichten. Denn der Grundsatz 3 „Vergangenes verabschieden“ sollte über das, was in ihm formuliert wird, hinausgehen. Für den Fortbestand eines pastoralen Angebotes ist nämlich nicht nur die Frage entscheidend, ob es noch einen Bedarf dafür gibt, sondern vor allem, ob sich noch Akteure, auch hauptamtliche, finden, die es umsetzen. In diesem Zusammenhang sollten auch aktuelle Formen, Zeiten und Akteure der Kommunion- und Firmvorbereitung auf den Prüfstand gestellt werden[41].

All das kann aber nur dann gelingen, wenn es Angebote gibt, die es ermöglichen, die eigenen Charismen zu entdecken. Dazu braucht es entsprechende regelmäßige Kursangebote vor Ort. Als Kursformate bieten sich derzeit die „Frischzelle“[42] ergänzt durch „Finde den Schatz in Dir“[43] an. Beide Formate können lizenzfrei durchgeführt werden. Der Grundsatz 5 „Verortet sein“ betont explizit, dass dezentrale Strukturen „vor Ort“ notwendig sind. Diese Notwendigkeit kann nur unterstrichen werden. Für eine einfache Sensibilisierung, z. B. bei Treffen mit Ehrenamtlichen, steht die Schrift „Let’s be a mission“[44] zur Verfügung, die sich gut zur Weitergabe eignet.

Ein wichtiger Punkt ist auch, dass das Entdecken und Fördern von Charismen bei anderen eine intensive Grundausbildung voraussetzt. Bisher gibt es dafür fast keine Ausbildung. Im Grundsatz 8 „Verlässlichkeit bieten“ wird dies thematisiert. Die Förderer der Menschen sollen dafür „Auftrag, Kompetenz, Qualifikation und Zeit“ haben. Eine erste Ausbildung fand im Herbst 2022 in der Erzdiözese Freiburg statt, als im Rahmen eines Online-Fachtages viele Interessierte einen ersten Einblick in die bereits oben genannte „Frischzelle“ gewinnen konnten[45]. Einen Schritt weiter sind die Diözesen Paderborn und Mainz. Das Bistum Paderborn bietet bereits seit 2018 eine Ausbildung zum „Potentialcoach“[46] an. Noch effektiver ist der Ansatz des Bistums Mainz. Hier wurden im Juli 2023 zwanzig Potentialcoaches ausgebildet[47], die nun im gesamten Bistum für Workshops zur Verfügung stehen.

Neue Beteiligungsformen

Der Grundsatz 10 „Beteiligung verwirklichen“ lädt zur Entwicklung neuer Beteiligungsformen ein. Wie bereits mehrfach angesprochen ist dies unabdingbar, um heutzutage Ehrenamtliche zu finden. Ergänzend muss angemerkt werden, dass die Grundlage jeglicher Beteiligung das bereits in Abschnitt 4.2 angesprochenen Prinzip des Zuhörens ist. Ohne diese Grundhaltung können auch neue Beteiligungsformen nicht gelingen. In jeder Form von Zusammenkunft und Diskussion zu einem konkreten Thema sollte eine Methode des gegenseitigen Zuhörens[48] praktiziert werden, wie sie gerade auf der Bischofssynode über die Synodalität[49] umgesetzt wurde. Es braucht eine Offenheit bei allen Beteiligten sowie Zeiten der Stille und des Gebetes, damit der Heilige Geist wirken und im wahrsten Sinne des Wortes Neues schaffen kann. Ein Beispiel für eine gelungene Form der Beteiligung ist auch ein Visionstag, wie er in Oberursel bereits 2016 stattgefunden hat[50]. Auf diese Weise können alle, die möchten, an der Entwicklung der Pfarrei Neu mitwirken[51] und sich einbringen.

Beteiligung bedeutet aber auch Macht abgeben. Die Formulierungen von Grundsatz 10 gehen an diesem Punkt jedoch nicht weit genug. Eine Passage wie „Mitbestimmung […] eingeräumt“ suggeriert, dass hier nur punktuell Macht abgegeben wird. Damit die Kirche in der heutigen Gesellschaft ernst genommen wird, ist aber ein viel radikalerer Wandel nötig. Wie Papst Franziskus bereits 2015 festgestellt hat, muss die klassische Autoritätspyramide (oben die Leitung und unten das Volk Gottes) umgedreht werden. Diejenigen in Leitungsverantwortung müssen demnach die Rolle der Geringsten, der Diener aller übernehmen und von unten das Volk Gottes leiten[52]. Weiter ist in Grundsatz 10 von „Engagierten, die dies wollen“ die Rede. Dies bedeutet, dass die Ehrenamtlichen die Initiative ergreifen und um Beteiligung bitten sollen. Dies kann aber nur bedingt funktionieren. Wie bereits angesprochen, ist ein Charisma bzw. eine Gabe die Voraussetzung zur Leitung. Die Kirche sollte also geeignete Laien fördern und anschließend berufen.

Dies setzt voraus, dass die Hauptamtlichen bereit sein sollten den Paradigmenwechsel vom „Bestimmer“ zum „Ermöglicher“ zu vollziehen. Möglicherweise kann hier die Struktur der „Pfarrei Neu“ hilfreich sein. Denn allein die Größe der neuen Pfarreien hindert den leitenden Pfarrer daran, weiterhin alles selbst zu bestimmen und zu kontrollieren. So wird nun für jede „Pfarrei Neu“ ein zum Sozialraum passender leitender Pfarrer nach dem entsprechenden Ausschreibungsprofil gesucht. Die Zeiten, in denen ein Pfarrer über die Menschen vor Ort hinweg seine Ideen und Konzepte durchsetzen konnte, gehören damit der Vergangenheit an.

Wie bereits mehrfach angesprochen, geht die Entwicklung beim ehrenamtlichen Engagement weg von langfristigen, mehrjährigen Verpflichtungen hin zur Mitarbeit an zeitlich begrenzten Projekten. Als Beispiel genügt ein Blick über die Landesgrenze. So fanden sich z. B. in der Diözese St. Gallen schon länger keine traditionellen Pfarrgemeinderäte auf fünf Jahre mehr, so dass dort auch diese Strukturen völlig neu überdacht werden mussten[53]. Aber auch diejenigen, die sich nur kurzfristig engagieren, möchten Mitbestimmungsrechte wahrnehmen[54]. Die bestehende Rätestruktur ist dafür nicht geeignet. Dazu braucht es laut Dere eine „neue Sozialgestalt von Kirche – […] ein Netzwerk, in dem auf je verschiedene Weise, der eine gemeinsame Glaube zum Ausdruck gebracht wird.“[55]

Kooperationen

Der Grundsatz 6 „Kooperationen suchen“ liegt auf der Hand. Denn Pfarrgemeinden und kirchliche Einrichtungen haben ebenso wie Vereine, Bürgerinitiativen und andere Akteure das gleiche Problem: sie alle brauchen ehrenamtliche Unterstützung, aber die potenziellen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stellen, wie eingangs beschrieben, immer höhere Ansprüche an die Rahmenbedingungen. Von einer intensiven Zusammenarbeit, z. B. in Form einer gemeinsamen Ehrenamtsbörse, können alle nur profitieren. Eine gute Möglichkeit, den Einstieg ins Ehrenamt zu erleichtern, ist z. B. das Projekt „Ein Team, ein Tag, ein Ziel.”[56] Dieses bringt verschiedene gesellschaftliche Akteure zusammen[57]. Dabei wird auch dem eingangs erwähnten Trend zum kurzfristigen und überschaubaren Engagement Rechnung getragen.

Ressourcenproblematik

Nahezu alle in den vorangegangenen Kapiteln angesprochenen innovativen pastoralen Unternehmungen sowie die Aus- und Weiterbildungen der Ehrenamtlichen benötigen entsprechende Ressourcen. Im Grundsatz 9 werden u.a. „Qualifizierungsmöglichkeiten“, „Auslagen-Erstattung“, „Räume“ und „Infrastruktur“ explizit genannt. All dies kann unter Umständen mit einem hohen finanziellen Aufwand verbunden sein. Die Erzdiözese Freiburg versucht hier, Innovationen aus einem Fördertopf zu unterstützen[58]. Das Grundproblem wird dadurch aber nur geringfügig entschärft. Denn nach wie vor entscheiden in erster Linie die Hauptamtlichen über die Verwendung der zur Verfügung stehenden Budgets[59]. Sie entscheiden damit weiterhin, welche pastoralen Projekte umgesetzt werden können und welche nicht. So wird die Charismenorientierung teilweise schon in der Wurzel erstickt. Ähnliche Probleme ergeben sich, wenn Stellen, z. B. die Einrichtung eines Jugendbüros, über zentral vorgegebene Verteilungsschlüssel unabhängig vom konkreten Bedarf vor Ort vergeben werden. Zumindest im letztgenannten Beispiel ist durch die Stärkung des Subsidiaritätsprinzips innerhalb der „Pfarrei Neu“ ab 1.1.2026 ein wenig Abhilfe durch größere lokale Freiheiten in Sicht.

 



[1] vgl. https://freiburg.bistumsatlas.de/statistik/ (abgerufen am 04.11.2023).

[4] vgl. R. Feiter, H. Müller (Hg.), Frei geben: Pastoraltheologische Impulse aus Frankreich, Ostfildern (Grünewald) 2012, 132ff.

[5] vgl. Bukal ng Tipan, Liturgien gestalten im Kontext von Kirchenentwicklung https://shop.seelsorgeamt-freiburg.de/amfile/file/download/file/228/product/518/ (abgerufen am 05.11.2023).

[6] vgl. z.B. https://www.petershausen.net/spiritualitaet/thechosen/ (abgerufen am 21.10.2023).

[7] https://www.petershausen.net/bless (abgerufen am 15.10.2023)

[10] vgl. S. Degen, A. Unfried (Hg.), XXL Pfarrei: Wie Menschen Kirche entwickeln, Würzburg (echter) 2018, 164ff.

[11] vgl. https://andersorte.de/ (abgerufen am 05.11.2023).

[13] vgl. https://segen.jetzt/ (abgerufen am 08.11.2023).

[18] vgl. https://valerieundderpriester.de/ (abgerufen am 06.11.2023).

[19] vgl. https://gott-im-abseits.de/ (abgerufen am 06.11.2023).

[20] vgl. https://medium.com/god-or-not (abgerufen am 06.11.2023).

[21] vgl. https://caritas-ehrenamtsportal.de/ (abgerufen am 05.11.2023).

[22] vgl. https://catholic.church/ (abgerufen am 05.11.2023).

[23] https://alphakurs.de/in-drei-schritten/ (abgerufen am 15.10.2023).

[24] vgl. Tagesimpuls von Weihbischof A. Puff https://www.facebook.com/watch/?v=844421372611924 (abgerufen am 05.11.2023).

[25] vgl. A. Unfried (u.a.), XXL Pfarrei: Monster oder Werk des Heiligen Geistes?, Würzburg (echter) 2012, 68ff.

[26] vgl. A. Unfried (u.a.), XXL Pfarrei, 72f.

[30] vgl. S. Degen, A. Unfried (Hg.), XXL Pfarrei: Wie Menschen Kirche entwickeln, Würzburg (echter) 2018, 64ff.

[31] vgl. https://www.ebfr.de/ehrenamtskoordination (abgerufen am 05.11.2023).

[33] vgl. https://www.eee.koeln/start/ (abgerufen am 11.11.2023).

[38] vgl. https://www.instagram.com/kath_ehrensache (abgerufen am 05.11.2023).

[39] vgl. Diözesane Leitlinien Erzbistum Freiburg. 2017. 24.

[40] Quelle: Persönliche Kontakte des Autors.

[41] vgl. Diözesane Leitlinien Erzbistum Freiburg. 2017. 41f. https://www.ebfr.de/media/download/integration/798028/dioezesane_leitlinien_erzbistum_freiburg.pdf (abgerufen am 04.11.2023).

[42] https://frischzelle.info/ (abgerufen am 05.11.2023) bzw. K. Speckenheuer, M. Sellmann, Kurshandbuch zur FRISCHZELLE: Frische Ideen für Kirchen- und Gemeindeentwicklung, Freiburg (Herder) 2018.

[50] vgl. S. Degen, A. Unfried (Hg.), XXL Pfarrei, 90ff.

[54] vgl. A. Unfried (u.a.), XXL Pfarrei, 73f.

[55] vgl. A. Unfried (u.a.), XXL Pfarrei, 76.

[56] vgl. https://tatkraeftig.org/ (abgerufen am 05.11.2023).

[59] vgl. R. Bucher, Ehrenamt: „Denn einerseits liegen Geld, Institutions- und Definitionsmacht weiterhin ziemlich weitgehend in Händen der Profis, andererseits sind diese aber auch von den Ehrenamtlichen abhängig wie schon lange nicht mehr.“